18. SONNTAG im Jahreskreis
Evangelium nach Johannes (6,24-35)
Ein Missverständnis. Jesus wird - wieder einmal - missverstanden. Die Menschen sind von ihm begeistert, weil sie sich durch ihn satt essen konnten. Eine große Sensation! Aber Jesus ist nicht gekommen, um die körperlichen Nahrungsbedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Jesus will das, was er getan hat, als ein Zeichen verstanden wissen. Er will den Menschen mehr bieten als leibliches Sattwerden. „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein.“ Es gibt auch einen „geistigen“ Hunger, und den will Jesus sättigen. Aber das scheint man nicht zu verstehen.
Wir kennen es schon aus der Römerzeit: Damals wollten die Kaiser dem Volk immer nur „Brot und Spiele“ geben, um es zufrieden zu stellen, ruhig zu halten. Ist das heute anders? Sorge dafür, dass die Menschen einen vollen Magen haben und abgelenkt werden durch Spiele und Unterhaltungsindustrie. Haben Sie schon mal über die Schlagzeilen in der Politik nachgedacht? Welche Themen kommen da zur Sprache? Geht es da nicht meistens um die rein materiellen Bedürfnisse? Welche Politiker treten für geistige Werte und Ideale ein? Haben die Menschen dann keinen „geistigen“ Hunger? „Brot und Spiele“ war das Hauptthema der römischen Gesellschaft, und diese Gesellschaft und diese Kultur sind zu Grunde gegangen. Sind wir auf dem- selben Weg?
Was nährt und trägt menschliches Leben in einem ganzheitlichen Sinn? Was ist es, was uns schlussendlich leben lässt? Dass diese Frage wichtig ist, zeigen zum Beispiel die vielen Selbstmorde in Österreich. Unlängst las ich, dass die Zahl der Selbstmorde höher ist als die der Verkehrstoten. Kaum einer dieser Menschen hatte nicht genug zu essen oder zu trinken, und doch erschien ihnen ihr Leben so unerträglich, dass sie es beendet haben. Konnten sie ihren geistigen Hunger nicht befriedigen?
„Ich bin das Brot, das Leben schenkt“, sagt Jesus. „Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein.“ Kein Sonderangebot. Keine Rabattaktion. Kein Räumungsverkauf. Kein Schnäppchen. Keine Gutscheinaktion. Keine Bonusaktion. Keine Scheckkarte nötig. „Kommt zu mir und glaubt an mich.“ Mehr ist nicht nötig. Aber auch nicht weniger. „Sie sind herzlich eingeladen! Für das seelische/geistige Wohl ist gesorgt!“ Ist das eine Einladung, der Menschen heute folgen?
Liebe Mitchristen! »Brot« steht da ganz allgemein für das, was wir zum Leben wirklich brauchen. Machen Sie die Erfahrung, dass Jesus Ihren Hunger und ihre Sehnsucht nach Leben stillt? Können Sie das bestätigen? Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Leben - durch Ihren Glauben an Jesus - an Tiefe und Qualität gewonnen hat? Spüren Sie durch ihre Beziehung zu Jesus und zu Gott eine Lebenskraft, die hilft, alle problematischen Lebenssituationen zu bewältigen oder wenigstens halbwegs gut zu überstehen? Haben Sie diese Erfahrung schon gemacht?
Brauchen wir Jesus? Brauchen wir Gott? Ist Jesus mein „Lebensbrot“? „Ich bin das Brot des Lebens!“ Jesus macht uns hier die Verheißung: In der Verbindung mit ihm und mit Gott werden wir unsere wahren Bedürfnisse erkennen können und dann dort nach ihrer Stillung suchen, wo sie wirklich zu finden ist. Dieser Rat, in der Nähe Jesu zu leben und in die Tiefe zu gehen, holt uns aus der Oberflächlichkeit und Hektik unseres Lebens heraus und kann uns inneren Frieden und Geborgenheit bringen.
Jesus hat das, worauf es im Leben ankommt, was unser Leben gelingen lässt, auf den Punkt gebracht. Und der große russische Schriftsteller Leo Tolstoi hat das in einer seiner Kurzgeschichten so umschrieben: „Die Menschen glauben, sie leben durch die Sorge für ihr Ich. Sie leben aber einzig durch die Liebe. Wer in der Liebe lebt, lebt in Gott und Gott in ihm, denn Gott ist die Liebe.“ Wenn das auch meine Grundüberzeugung und meine Lebensweise geworden ist, habe ich Jesus verstanden.